MidsummerSail – Ziel: 65°64`07 Nord – 022°39‘ 00 E

MidsummerSail – Ziel: 65°64`07 Nord – 022°39‘ 00 E

„Tolle Strecke, da ist Fastnet nichts dagegen“, war Anfang Juli im Segelreporter über die MidsummerSail zu lesen. Eine Regatta über 980 Seemeilen von Wismar nach Töre, vom südlichsten Hafen der Ostsee zu ihrem nördlichsten.

Los ging es bei 6 Bft. aus NW. Es begann mit einer Kreuz durch das enge Fahrwasser vor Wismar, vorbei an den beiden Schwedenköpfen, die die Startlinie bildeten. Draußen wurde es ein schneller Halbwindritt nach Bornholm. Das zügige Meilenfressen endet aber bereits in der Hanöbucht. Schwache umlaufende Winde, viel Großschifffahrt und dichter Nebel bestimmten die Fahrt über dieses Seegebiet. Erst am Morgen des zweiten Tages konnte die Südspitze Ölands gerundet und Kurs Nord abgesetzt werden. Der Wind drehte ebenfalls auf Nord. Es folge eine Kreuz, die erst auf der Höhe der Schereninsel Gotska Sandön in einer Flaute endete. Jetzt war Topfschlagen angesagt. Die Zeit wurde genutzt, etwas schlaf nachzuholen: Obgleich der vierstündige Rhythmus gut funktionierte, sind Flauten hierfür am besten geeignet. Erst am späten Abend des dritten Tages kamen südliche Winde auf, die uns einen langen Spigang bescherten. Er endete erst nach dem Durchqueren der Meerenge zwischen Schweden und die Alandinseln. Mit dem Passieren der Alands fuhren wir in den Gulf of Bottnia. Für alle eine ganz besondere Prämiere. Schon auf der Höhe von Gotland hatte sich die Nacht mit einer langen Dämmerung begnügt. Jetzt blieb es hell, Tag hell. Die Sonne tauchte nur kurz im Norden unter, um wenige Zeit später etwas nordöstlicher wieder aufzugehen. Es waren ab jetzt die berühmten weißen Nächte, die wir auf den noch vor uns liegenden knappen 400 Meilen bis Töre erlebten. Und sie waren abwechslungsreich.  Kurz vor der Passage der Kvarken, die den Gulf of Bottnia in Bottenhaven und Bottenvieken teilt, zog von Schweden aus ein Gewitter in unsere Richtung. Handy und iPAD´s wurden im Herd deponiert. Unweigerlich ist bei einem 22 Meter hohen Mast die Überlegung präsent, was bei einem Blitzschlag auf See passiert. In dem faradayschen Käfig, „Backofen“ waren die Geräte sicher. Das Gewitter zog glücklicherweise vorüber, ohne uns zu belästigen. Dafür brach der Wind zusammen. Wir dümpelten in den frühen Morgenstunden des sechsten Tages durch die Kvarken. Unsere dritte Flaute. Da jeder Balken auf dem Handy genutzt wurde, um sich über den Stand der Regatta zu informieren, war schnell klar: 2020 fällt keiner der alten Rekorde. Zu viel Flaute, zu viel Kreuz, zu wenige und vor allem schnelle Raumgänge, um die 980 Meilen in einer Zeit unterhalb von 5 Tagen, 17 Stunden und 38 Minuten abzusegeln. Erst zum Abend unseres sechsten Tages setzte der Wind aus südlichen Richtungen wieder ein. Wir setzten den Spi und nahmen direkten Kurz in Richtung Storöfjärden. Am Ende dieses 22 Meilen langen Fjords liegt die kleine Stadt Töre, unser Ziel. Die Freude über den achterlichen Wind war allerdings getrübt. Erst durch den Blick auf den neusten Wetterbericht. Über Navtex erfuhren wir, was vor uns lag: Eine rund 80 Seemeilen lange Kreuz gegen einen Wind mit 13 m/s aus Nordost. Jeder weiß, wenn eine knappe sieben angesagt wird, kommt eine richtige. Doch bevor uns dieses Wetter erwischte, wurde es noch gruselig. Vorne blauer Himmel und ein vom Wind prall gefüllter Spi, der uns mit 7 kn in Richtung Ziel zog. Hinter uns eine dichte Nebelwand, deren herannahmen an den Gruselschocker „The Fog“ aus den 80iger Jahren erinnerte.  Wir verschwanden vollständig im Nebel, durch den wir mit 7 kn unter Spi in eine graue Suppe jagten. Ganz im Ungewissen darüber, was um uns herum passierte, waren wir Gott sei Dank nicht. Unser AIS leistet zusammen mit dem Plotter gute Arbeit. Wir sahen die Schiffsbewegungen um uns herum und die Küste, nicht in Wirklichkeit, aber virtuell. Grenzwertig war es gleichwohl, denn nicht jedes Sportboot ist mit AIS ausgestattet. Grenzwertig war auch, was nach dieser Nebelwand folgte. Der Wind nahm kurz ab und drehte langsam auf Nordost. Und dann war die Sieben da. Was sie mitbrachte, hatte keiner von uns an Bord so erwartet. Hinter uns lagen schon einige sportliche Regattaritte mit viel Wind, mal gegen an, mal unter Spi. Auch ist eine stramme Sieben nicht per se unangenehm oder ein Problem. Was aber keiner von uns kannte war eine völlig konfuse Welle, die sich schnell kurz und hoch auftürmte. Ein hochfahren auf die Welle, abfallen und ihren Rücken herunter fahren war fast unmöglich. Unter Fock ohne Groß ballerten wir mit 6 bis 7 Knoten immer wieder in die kurzen, steilen und bis 2,5 Meter hohen Wellen. Es knallte ordentlich, wenn das Schiff abrupt abgebremst wurde und in die Wellentäler krachte. Nach 7 bis 8 Stunden hatte der Spuk ein Ende und wir waren auch am Ende. Weit nach West versetzt standen wir am Abend des 7 Tages vor dem Fjord Richtung Lulea. Der Wind war weg, die Welle hatte sich in einen nervigen Schwall verwandelt und der Wetterbericht versprach für die Nacht erneuten Wind mit bis zu 13 m/s, natürlich aus Nordost. Also fuhren wir durch die Scheren. Als wir nach 7 Tagen, 17 Stunden und 47 Minuten auf der nördlichsten Tonne der Ostsee standen, lag eine interessante Scherenfahrt hinter uns. Robert kommentierte sie mit den Worten: „Diesen Weg ist noch keiner gefahren“. Robert ist Robert Nowatzki. Er hat die MidsummerSail ins Leben gerufen, besser erfunden. Er filmte unseren persönlichen Zieleinlauf per Drone und machte das Foto, weswegen wir 980 Seemeilen gen Norden gesegelt waren: Drei müde aber glückliche Segler auf einer gelben Tonne am nördlichsten Punkt der Ostsee!

Was folgte danach? Stegbier um sieben Uhr, Frühstück, Schlafen, Aufwachen, Grillen mit anderen Seglern, Erzählen der ganz großen Geschichten, Mücken, Flucht in die Koje, wieder Schlafen, Wecken um fünf Uhr, ablegen, Heimreise.

Den Rückweg hatten wir uns anders vorgestellt. Der Wind hatte sich auf südliche Richtungen festgelegt und versprochen, uns nicht mit windlosen Zeiten zu malträtieren. Hierüber berichte ich Euch aber in der nächsten Ausgabe.  Mein Fazit heute: Eine echte Herausforderung, bei der man Grenzen spürt. Aber sie lohnt sich! Sie zieht die Segler an. Für 2021 ist die Teilnehmerzahl auf 50 erweitert worden. Trotzdem ist die Meldeliste schon voll und wer 2021 teilnehmen möchte, muss zunächst auf die Warteliste.   

geschrieben von Klaus Abraham

8. September 2020  Allgemein